I. Zur Terminologie und VorgeschichteDie musikalische Gattung Oratorium wird in der deutschen Sprache durch das gleiche Wort bezeichnet, das auch im Bereich der katholischen Kirche gebräuchlich ist. Man versteht darunter seit dem Mittelalter einen geweihten Gottesdienstraum (Betsaal), der nicht Pfarrkirche ist, seit dem 16. Jahrhundert, davon abgeleitet, auch eine 1564 in Rom von F. Neri gegründete Priestergemeinschaft (Congregatio presbyterorum et clericorum saecularium de Oratorio, meist ital. als Congregazione dell’Oratorio bezeichnet), die bis heute existiert und jetzt auch Laien umfasst. Diese doppelte Bedeutung ist auch für oratorio im italienischen Sprachgebrauch üblich, während es in anderen Sprachen unterschiedliche Begriffe gibt. So heißen die kirchlichen Einrichtungen französisch oratoire und englisch oratory, während für die musikalischen Gattungen jeweils das italienische Wort übernommen wird.Als Gattungsbegriff bezeichnet Oratorium allgemein die zu nicht szenischer Aufführung bestimmte Vertonung eines eigens dafür geschaffenen, meist umfangreichen geistlichen und in der Regel nicht liturgischen Textes, der auf mehrere Personen oder Personengruppen verteilt ist. Im Einzelnen gibt es jedoch einerseits Oratorien, die nicht alle diese Merkmale aufweisen (szenische Oratorien, weltliche Oratorien). Andererseits gehört auch die bis heute große Zahl solcher Werke zur Gattung, die nicht den Titel oder Untertitel Oratorium...