I. Ursprünge und Quellen Über die Musikkultur bei den Slawen vor der Christianisierung in der zweiten Hälfte des 9. Jh. wissen wir so gut wie nichts, obwohl anzunehmen ist, daß Elemente aus dieser heidnischen Kultur in die liturgische Musik Eingang gefunden haben, wie Ethnomusikologen mehrmals zu beweisen versucht haben. Solche Forschungen sollten jedoch mit größter Vorsicht betrieben werden, besonders wegen der zeitlich unklaren Materialbasis. Vor allem – aber nicht ausschließlich – in der sowjetischen Epoche wurde gern auf Kontinuitätsstränge zwischen der vorchristlichen und der kirchlichen Musik der Kiewer Rus sowie in Bulgarien hingewiesen. Man vergleiche in dieser Hinsicht u.a. die Arbeiten von N. Findejzen (1928), V. Cholopova (1983) oder L. Kulakovskij (1977); dagegen verläßt R. Zguta (1978) bei ihrer Abhandlung zu den russischen Volkssängern (skomorochi) nicht den Boden der historisch belegten Fakten. Als die Slawenlehrer, das Brüderpaar Kyrill (Konstantin; 826/27-869) und Method (um 815-885), 863 ihre Tätigkeit im Moravagebiet aufnahmen, waren sie bemüht, die Grundlagen des byz. Gottesdienstes ins Slawische zu übersetzen. Da das byz. Offizium damals wie heute durchwegs gesungen wurde, setzte dies voraus, daß sie die kirchlichen Melodien dem slawischen Wortlaut anpaßten, anders ausgedrückt, die musikalischen...