I. Einleitung
Als C. Dahlhaus 1979 mit seinem Aufsatz Musik als Text eine der zumindest in der deutschsprachigen Musikwissenschaft bis heute meistbeachtetsten Überlegungen zu einer überaus vielgestaltigen und in verschiedenen Bereichen der Musikforschung behandelten Thematik vorlegte, bedeutete diese Begriffsprägung zunächst eine Auseinandersetzung mit der bes. von Thr. Georgiades theoretisch zugespitzten Differenz zwischen erklingender Musik und ihrer schriftlichen Repräsentation vom Standpunkt des u. a. von Joh. N. Forkel aufgegriffenen Begriffs einer »musikalischen Logik« aus. Noch vor und zeitgleich zu diesen den Textbegriff emphatisch adaptierenden mw. Grundsatzüberlegungen entwickelte sich der Terminus Text allerdings auch zu einer zentralen Kategorie der (post-)strukturalistischen Literaturtheorie, und es entfaltete sich parallel zu den begrifflichen Weiterungen von Roland Barthes (1970; vgl. auch P. McCreless 1988) oder Paul Ricœur (1970) eine an der Relation formaler und inhaltlicher Strukturen interessierte Textlinguistik (vgl. A. Rausch, in: Kgr.Ber. Freiburg i.Br. 1998) ebenso wie die von Sozialwissenschaftlern und Ethnologen wie Clifford Geertz propagierte Tendenz, Symbole, Mythen und kulturelle Verhaltensnormen als Anordnung von Texten zu verstehen. Und so ist auch innerhalb der Diskussion des Textbegriffs das durchaus nicht seltene Phänomen einer verspäteten Rezeption ästhetischer, kunst- und kulturtheoretischer Innovationen durch die Musikwissenschaft zu verzeichnen, das durch deren weitgehende Ausklammerung musikalischer...