Idee und Begriff des Gesamtkunstwerks sind ein Produkt des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In der Folge der Französischen Revolution und ihrer Liquidierung der feudalen Gesellschaftsstruktur wurden der alte Organisationszusammenhang und die Standortgebundenheit der Künste innerhalb eines ihre Form und ihren Stoff bestimmenden gesellschaftlichen Rahmens, ihre nach traditionell legitimierten sozialen Codes festgelegten Aufgaben und Verweisungszusammenhänge (wie sie namentlich von der – die Regeln der Einzelkünste übergreifenden – Rhetorik kodifiziert worden waren) mehr und mehr aufgehoben. Mit dem Zerfall einer übergreifenden und bindenden religiösen, politischen und gesellschaftlichen Ordnung, in deren Folge sich auch die epochalen ›Stile‹ auflösen, welche diese Ordnung spiegeln, werden die Künste zunehmend desintegriert und defunktionalisiert. Die für die Moderne charakteristische ›Ausdifferenzierung‹ der verschiedenen Kulturbereiche führt nicht nur zur Autonomie der Kunst als solcher (I. Kants Kritik der Urteilskraft bringt sie 1790 auf den epochemachenden Begriff), sondern auch zur Ausdifferenzierung der Einzelkünste, die sich zumal in ihrer Emanzipation von der überständigen Rhetorik manifestiert. Den Preis ihrer ›Freiheit‹ bildet ihre Entwurzelung, Zersplitterung, Einsamkeit und Heimatlosigkeit, die einen melancholischen Schatten auf das Selbstverständnis des Künstlers seit der Romantik werfen. Aus der Not der Desintegration der Künste wird nun entweder die...