I. Begriffsunschärfe und Bedeutungsvielfalt Ob der Begriff Singspiel als musikdramatischer Gattungsbegriff überhaupt sinnvoll anwendbar sei, ist in der Forschung bis heute umstritten. Tatsächlich kann der Terminus, wie schon H.-A. Koch in seiner Studie über Das deutsche Singspiel einräumt, »alles und nichts bedeuten« (1974, S. 28). Das breite Spektrum divergierender definitorischer Ansätze läßt sich durch zwei Begriffsbestimmungen abstecken, von denen die eine, nur auf formale Kriterien gegründet, das Singspiel als spezifischen dramatisch-musikalischen Typus zu fassen sucht, die andere aber, über formale Bestimmungen hinaus, eine kulturhistorische, -geographische und -soziologische Eingrenzung anstrebt. So erklärt H.-M. Schletterer, repräsentativ für den weitgefaßt-formalen Definitionsansatz: »Mit dem Worte Singspiel wird jedes dramatische Werk bezeichnet, in welches Musikstücke, vornehmlich Gesänge, sei es in überwiegender, oder auch nur in untergeordneter Weise eingewebt sind« (Schletterer 1863, S. 1), während Renate Schusky, entschieden um eine enggefaßte Begriffsbestimmung bemüht, festlegt: »Das deutsche Singspiel ist eine Unterhaltungsform, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als das vom Bürgertum getragene Gegenstück zur höfischen Oper entwickelt wurde. Sogenannte ›Singspiele‹ des 17. Jahrhunderts können nicht als Vorläufer angesehen werden. […] Das Singspiel ist eine deutsche Erscheinung, wenngleich es ohne...