Die Bedeutung des aus dem altgriechischen ἑτεϱοφωνία (Andersstimmigkeit, Verschiedenstimmigkeit) übertragenen Wortes Heterophonie ist von Anfang an äußerst diffus. Seine Anwendung aus heterogenen Verständnishorizonten und Interessenlagen als Bezeichnung für im einzelnen sehr verschiedenartige musikalische Phänomene hat bis heute eine eindeutige und allgemein akzeptierte Begriffsdefinition verhindert. Geprägt wurde das Wort von Platon, der es im 7. Buch der Νόμοι (812 d-e) ein einziges Mal im Zusammenhang mit der musikalischen Erziehung der Jugend verwendet. Die nicht leicht verständliche Textstelle lautet (in der Übersetzung von H. Görgemanns und A.J. Neubecker 1966, S. 158): »Um dessentwillen also müssen Musiklehrer und Schüler die Töne der Lyra mit zu Hilfe nehmen, wegen der Klarheit des Saitenklanges, indem sie die Töne genau übereinstimmend erklingen lassen; aber die abweichende Tonführung und die Verzierungen der Lyra [ἑτεϱοφωνία τῆς λύϱαϛ], wenn (nämlich) die auf den Saiten erklingenden Melodien von der Weise, die der Dichter gestaltet hat, verschieden sind – wenn (die Ausführenden) sogar dichte und lose Tonfolge (d.h. Töne in kleinen und großen Intervallen), schnelles und langsames Tempo, hohe und tiefe Töne (zugleich) in sei es zusammenstimmendem, sei es kontrastierendem Erklingen darbieten und wenn sie ebenso auch in den Rhythmen den Lyraklängen...