A. Einleitung und Systematik I. Mehrstimmigkeit in Musikkulturen mit oraler Tradition Die ältesten Belege stammen aus dem alten Ägypten, ikonographische Dokumente aus den Grabanlagen, die von H. Hickmann (1961) zusammengestellt wurden: Eine durch cheironomische Zeichen angedeutete Zweistimmigkeit (Grundton und Quinte) aus der IV. Dynastie (um 2600 v. Chr.); ein wahrscheinlich zweistimmiger Bordun zum Gesang; dreistimmiges Musizieren mit einer Doppelklarinette (Grundton tiefe Lage), Längsflöte (Grundton eine Oktave höher) und dazwischen gespielter Harfe (Quinte als Bordun gezupft) als Begleitung zum Gesang; mehrstimmiges Harfenspiel (VI. Dynastie, um 2000 v. Chr.); mehrstimmiges Instrumentalspiel (Bordun) auf Doppeloboen, -klarinetten, Panflöte und mechanisch gespieltem Bombyxaulos aus der Ptolemäischen Zeit (4. Jh. v. Chr.) (→Ägypten Abb. 6; Hickmann 1961, S.86, 88, 90, 94-97). Neben diesen Bildern gehören die seit dem Ende des 19. Jh. gesammelten Klangdokumente zu den wichtigsten Quellen zur Erschließung der rezenten und gegenwärtigen mehrstimmigen Formen. Zwischen den ältesten und neuesten Belegen klafft somit eine nur mit sporadischen Zeugnissen belegte Lücke von nahezu 2000 Jahren. Mit dem Aufkommen der Tonaufnahme hat die mehrstimmige musikalische Praxis und Tradition – vokal wie instrumental – in den unterschiedlichen Musikkulturen der Welt schon früh das besondere...