I. Einstimmige Vertonungen des Stabat mater»Stabat mater dolorosa« lautet der Beginn eines mehrstrophigen Reimgebetes, in dem das Leid der Mutter Maria angesichts ihres gekreuzigten Sohnes Christus auf Golgatha in einer geistlichen Betrachtung nachempfunden wird. Die von einer Fragestrophe unterbrochene Erzählung (Strophe eins bis vier) geht über in die Bereitschaft zur compassio, zum Mit-Leiden (Strophe fünf bis neun), mit dem Ausblick auf die eigene Erlösung (Strophe neun bis zehn). Passionsmystik verbindet sich mit der Verehrung Mariens als Mittlerin und Führerin zum erstrebten Ziel der imitatio Christi, der Nachfolge bis zu den Leidensstationen. Es ist die Frömmigkeit des hohen Mittelalters nach Bernhard von Clairvaux († 1153), die aus dieser Dichtung spricht, obwohl der Text erst im 14. Jahrhundert überliefert ist. Da die Zuschreibungen an Papst Innozenz III. († 1216), Bonaventura († 1274), Jacopone da Todi († 1306) u.a. ungesichert sind, bleibt die Frage nach dem Dichter offen. Die unterschiedlichen Zuweisungen spiegeln die Möglichkeit französischen oder italienischen Ursprungs.Ungeachtet der Erweiterungen und Veränderungen, die das Gedicht vor allem in der zweiten Hälfte erfahren hat, wird man von zehn sechszeiligen Strophen ausgehen können. Abtaktiger Rhythmus (trochäisch), Silbenzahlen, Reimordnung und wechselnde Endungen folgen dem Schema: 8pa 8pa 7ppb 8pc...