I. Problematik des Begriffs Der durch die zahlreichen Leitfäden zu Wagners Bühnenwerken populär gewordene und als Lehnwort im Englischen und Französischen eingebürgerte Begriff ist in seiner Bedeutung umstritten. Einerseits versuchte man ihn auf Wagners Œuvre (vornehmlich von dessen Ring des Nibelungen an) zu beschränken und von einem älteren Typus, dem »Erinnerungsmotiv«, zu unterscheiden, andererseits verkam der Terminus bald zu einer bloßen Chiffre für ein »immer wiederkehrendes, bezeichnendes Motiv« (Duden Bd. 10, 1970) und wurde auch auf nicht-dramatische Gattungen von Musik übertragen (z. B. auf Messen Webers und Liszts, vgl. H. Allekotte 1913, S. 37). Zusammensetzungen wie »Leitidee« (K. Wörner 1932, T. 2/3, S. 10), »Leit-Instrumente« (P. Petersen 1988, S. 232) oder »Leitharmonie« (S. Goslich, in: MGG 1960) verraten zudem Unsicherheiten im Hinblick auf das zu Bezeichnende: neben melodischen und rhythmischen Elementen können auch andere Parameter des Klangereignisses (u.a. Harmonik und Instrumentation) zu Bedeutungsträgern werden. Die in den Wiederholungen sich wandelnde Gestalt des Bezeichneten bringt zudem die Frage nach dessen Identität mit sich. Selbst der Begriff des Motivs scheint in diesem Kompositum problematisch: Ausgedehnte Themen (das ›Abendmahlsthema‹ im Parsifal...