VorbemerkungDie Frage, ob Musik Inhalt, Gehalt, Bedeutung trage – oder lediglich Form sei, tönende Bewegung an und für sich, ist spätestens seit Hanslicks Traktat Vom Musikalisch-Schönen (1854) für die Musikwissenschaft eine theoretische Wasserscheide geworden. Und ihre kontroverse Beantwortung hat zur Herausbildung kämpferischer Parteiungen geführt, vielfach gegründet in blankem Vorurteil, mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit, ohne Reflexion der jeweiligen sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Voraussetzungen. Entwicklungen der Semiotik, die seit Mitte dieses Jahrhunderts in der Musikwissenschaft Beachtung fanden, schienen eine Entschärfung der Auseinandersetzung zwischen ›Autonomie-‹ und ›Heteronomie-‹, ›Formal-‹ und ›Inhalts‹-Ästhetik zu versprechen. Faktisch haben sie die Gräben an den Fronten vertieft (vgl. R. Monelle 1992). Ursachen dafür liegen in der wenig methodenkritischen Fundierung der Semiotik selbst, ihrer Attitüde von ›Objektivität‹ und ›Neutralität‹ (vgl. J.-J. Nattiez 1975), die gerade deshalb Ideologemen, unhinterfragt, verfiel, aber auch in wildwuchernden Begrifflichkeiten, die den wissenschaftlichen Diskurs vor allem dort zum Scheingefecht herabwürdigten, wo man mit gleichlautenden Vokabeln operierte, ohne Vergleichbares zu meinen. Schließlich bemühten sich semiotische Ansätze, namentlich in der Musikanalyse, weniger um historische Differenzierung als um Generalisierung und vermochten es daher nur bedingt, sich vor Dogmatismen abzuschirmen (vgl. J. Jiránek 1985). Der vorliegende Artikel bleibt...