I. Zum Terminus Charakterstück ist die Bezeichnung für ein formal knapp und klar gegliedertes, oft nicht zyklisch gebundenes Instrumentalstück, dessen Ausdruck und Gehalt durch Überschriften mehr oder weniger deutlich festgelegt sein kann. Das zunächst und vor allem im Bereich der Klaviermusik ab etwa 1825 auftretende und als solches bezeichnete Charakterstück, auch Genrestück (-bild), lyrisches Klavierstück und (Klavier-)Miniatur genannt, trägt neben inhaltlich unverbindlichen Satzbezeichnungen wie Moment musical, Impromptu, Albumblatt oder Intermezzo häufig auch Titel, welche seelische Befindlichkeiten anzeigen, oder bildhafte, poetische Überschriften oder Sujetbezeichnungen, wodurch Inhalt, Gestus und Ausdruck der Komposition verbal umrissen und damit die Assoziationen des Hörers gelenkt werden, ohne ihn auf ein bestimmtes Programm (→Programmusik) festzulegen. Idealtypisch betrachtet sucht Programmusik durch Tonmalerei und andere Mittel musikalischer Nachahmung und Analogiebildung und gegebenenfalls auch durch einen am jeweiligen Sujet orientierten Formaufbau außermusikalische Erscheinungen, Ereignisse oder Handlungsverläufe für den Hörer referenzierbar darzustellen. Dagegen verharrt das Charakterstück im Bereich von Befindlichkeiten, Gemütslagen oder seelischen Zuständen. Doch sind die Übergänge zwischen programmatischer und charakteristischer Musik fließend.