I. Begriff und Forschungsgeschichte In der Anthropologie vereinen sich Natur- und Geisteswissenschaften zur Beantwortung der Frage, was der Mensch ist (theoretische Anthropologie) und was er kann (praktische Anthropologie). Diese bereits von den griechischen Philosophen und Ärzten, vor allem von Platon, Aristoteles und Hippokrates, gestellte Frage wird 1594 in Otto Casmanns Psychologia anthropologica sive animae humanae doctrina erstmals als Anthropologie benannt (vgl. Art. Anthropologie, in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 1, Mannheim 1986, S. 630-633). Was damals, in der beginnenden Neuzeit, in Denkkategorien der Ontologie und Metaphysik abgehandelt wurde, wandte sich unter dem Einfluß von René Descartes und Immanuel Kant in radikaler Weise dem Subjekt zu, das die Erkenntnistheorien des deutschen Idealismus, des Neukantianismus und Edmund Husserls bestimmte. Mit Ludwig Feuerbach, Søren Kierkegaard, Max Stirner und Fr. Nietzsche führte die Entwicklung zur Lebens- und zur Existenzphilosophie und weiter zu den neomarxistischen und strukturalistischen Schulen. Feuerbachs ›anthropologische Wende‹, als Widerspruch zu Hegels Philosophie des absoluten Geistes formuliert, setzte an die Stelle der Theologie die Anthropologie, worin ihm Karl Marx folgte. Von der philosophischen Anthropologie im engeren Sinn spricht man seit den Büchern Max Schelers (Die Stellung des Menschen im Kosmos, 1928) und Helmuth Plessners...