I. Zum Begriff Als poetischer und musikalischer Formenkreis schwarzer weltlicher Volksmusik der USA gehört der Blues seit knapp einhundert Jahren zu den wenigen Konstanten der populären Musik des 20. Jahrhunderts. Poetisch stellt der Blues ein Mittel zur sozialen Kommentierung dar und steht in dieser Eigenschaft in einer Reihe mit der puertorikanischen Plena, der martiniquesischen Bamboula, der haitianischen Pinyique, dem venezolanischen Joropo, dem jamaikanischen Mento, dem kubanischen Son und dem trinidadischen Calypso (Dauer 1961, S. 52). Gemeinsame Kennzeichen dieser schwarzen Poesie- und Musikformen ist die Darstellung verbindlicher gesellschaftlicher Verhaltensweisen bzw. die Kritik an deren Nichtbeachtung oder Verletzung, es ist die Realität der schwarzen Gesellschaft, »based in universal human experience or at least one that was relevant to singer and audience« (Evans 1973, S. 15). Die völlige Übereinstimmung zwischen Bluessänger und seinem Publikum über dessen poetische Aussagen gehört zu den wesentlichen Merkmalen des afroamerikanischen Bluesverständnisses. Sie bezieht sich innerhalb der Black Community auf die Inhalte der Bluestexte, auf ihren erzieherischen und moralischen Anspruch und auf die Form ihrer Präsentation mittels einer speziellen und oftmals kodierten Sprache, dem Black American English. Diese Beziehungen zwischen Interpreten und...