* 14. März 1845 in Pyritz, † 9. November 1912 in Berlin, Musikwissenschaftler. Der Sohn des jüdischen Ehepaars Samuel und Adelheid Jacobsthal wurde von 1858 bis 1863 in Stettin am Marienstiftsgymnasium von Hermann Graßmann (1809–1877) in Mathematik und von Carl Loewe in Musik unterrichtet. Er studierte in den 1860er-Jahren in Berlin Chorleitung, Komposition und Musikwissenschaft, zudem bei Carl Tausig Klavier. Bei Philipp Jaffé (1819–1870) erlernte er das historiografische Handwerkszeug (Chronologie, Diplomatik, Paläographie). Seine Lehrer Eduard Grell und Heinrich Bellermann beeinflussten ihn im Geist eines protestantischen Cäcilianismus. Nachdem er über Genesis und Anwendungsbereich der Mensuralnotation des 12. und 13. Jahrhunderts promoviert worden war, gelangte er durch das von ihm in Angriff genommene Quellenstudium mittelalterlicher musiktheoretischer Traktate sowie von Handschriften praktizierender Musiker zu eigenen Horizonten in der musikhistorischen Forschung. Dazu verhalf ihm auch eine große Forschungsreise an wichtige Bibliotheken Europas (1883/84).Zunächst versuchte Jacobsthal, die klanglichen Qualitäten der mittelalterlichen Tonsysteme zu erfassen. Dabei habilitierte er sich 1872 mit einer Arbeit über die Musiktheorie Hermanns von Reichenau an der neugegründeten Reformuniversität Straßburg. Dort lehrte er zunächst als Privatdozent, seit 1875 als außerordentlicher Professor, von 1897 bis 1905 als erster musikwissenschaftlicher Ordinarius an einer reichsdeutschen Universität. Während dieser...