A. Terminusdefinition und Problematik
I. Allgemeines
Mit Aufführungspraxis (engl. Performance oder Performing Practice [in den USA wird der Terminus Performance Practice bevorzugt], frz. pratique de l’exécution, ital. prassi esecutiva) bezeichnet man den Bereich von Musikforschung und -praxis, der alle Aspekte der Umsetzung notierter Musik in Klang umfaßt. Anliegen der Aufführungspraxis ist es, eine Wiedergabe des Notentextes zu erreichen, die den Intentionen des Komponisten möglichst genau entspricht, wobei in besonderer Weise bei älterer Musik neben den innermusikalischen Problemen auch alle äußeren Bedingungen von Belang sind (Instrumente, Gelegenheit, Raum usw.). Der Schwerpunkt aufführungspraktischer Forschung und Praxis liegt bei der sog. Alten Musik, deren zeitliche Begrenzung kontrovers diskutiert wird (s. A. III.). Dieses vorrangige Betätigungsfeld schließt jedoch eine generelle Zuständigkeit der aufführungspraktischen Forschung für jede notierte Musik auch bis zur zeitgenössischen nicht aus, denn jede noch so gesteigerte Anhäufung und verfeinerte Ausprägung von Ausführungsanweisungen kann den angestrebten Klang nur annähernd umschreiben. Aufgrund dieser Unbestimmtheit beschäftigt sich die Aufführungspraxis mit Fragen der Notation, wobei nicht nur die unterschiedlichen Notierungssysteme, z.B. die Dasia-Zeichen, Neumen, die Modal- und Mensuralnotation, die Lauten- und Orgeltabulatur behandelt...