A. Ars nova
I. Terminus
Der Begriff Ars nova fand in der musikwissenschaftlichen Sekundärliteratur erstmals bei Joh. Wolf (Geschichte der Mensuralnotation, Lpz. 1904, S. 63ff.) Verwendung. Er grenzte dort die französische Notation des zweiten bis letzten Viertels des 14. Jh. gegenüber den früheren Erscheinungsformen der Mensuralnotation in Frankreich und der Notation des italienischen Trecento ab. Wolf selbst hatte den Terminus aus einem bereits 1869 von Coussemaker (CS 3, S. 13-22) unter dem Titel Ars nova nach einer italienischen Handschrift des frühen 15. Jh. (I-Rvat, 307) veröffentlichten und dort im Explicit Ph. de Vitry (1291-1361) zugeschriebenen Text übernommen; dieser bespricht u.a. die in der französischen Notationspraxis des frühen 14. Jh. neu auftretenden Phänomene (Minima, rote Notation sowie Gleichstellung von zwei- und dreizeitiger Mensur).
Unter dem Einfluß H. Riemanns, der die französische Ars-nova-Notation mit der italienischen Praxis des Trecento verquickte, entwickelte sich der Terminus rasch – trotz der Vorbehalte von F. Ludwig und H. Besseler – von einem notationsgeschichtlichen zu einem Epochen- und Stilbegriff, der nun das gesamte Repertoire des 14. Jh. einschloß. Spätestens mit den Forschungen der 1950er Jahre wurde die Eigenständigkeit der musikalischen...