I. Vorgeschichte und Entstehung des Berufs
Der Beruf des Kirchenmusikers ist erst im 20. Jh. entstanden, hat jedoch eine lange Vorgeschichte. Dabei wurde zunächst unterschieden zwischen dem Kantor (lat. cantor) und dem Organisten. Die ursprüngliche Bedeutung von cantor war Sänger. Hier war sowohl der Sologesang als auch das Spielen von Instrumenten gemeint, nicht aber die Ensemble-Leitung. Der Cantor gehörte in der Antike zu den praktischen Musikanten, denen wissenschaftliche Einsicht in das Wesen der Musik fehlte. Nach Augustinus (De musica, 1. Buch) kann der Cantor zwar singen (»modulari«), beherrscht aber nicht die »scientia bene modulandi« (MPL 32, Sp. 1085), die philosophisch-theoretischen Grundlagen der Musik, wie sie in der Musica speculativa gelehrt wurden. Die kirchliche Adaption des Begriffes Cantor geschah erst im 5. Jahrhundert. Vorher wurden in der Regel die Bezeichnungen psaltes oder psalmista (Psalmensänger, Psalmendichter) gebraucht. Ansätze für eine Art kirchlich-musikalisches Amtsverständnis zeichnen sich vor allem im Bereich der Ostkirche ab, wo der psaltes wie der Lektor zum niederen Klerus gehörte und zur Ausübung seines Amtes kirchlicher Weihe bedurfte. Auch wenn der gottesdienstliche Cantor in den westlichen Kirchen nicht zum Klerus gehörte,...